Gemeinde Schwalmtal

Geschichte von Schwalmtal

Die Gemeinde Schwalmtal, sie ist eine Schöpfung der Hessischen Gebietsreform, ist zwar als Gebietskörperschaft ein noch sehr junges Gebilde, die Ortsteile der Gemeinde haben jedoch eine sehr lange und interessante Geschichte.

Die neun Schwalmtaler Ortsteile heißen

Brauerschwend, Hergersdorf, Hopfgarten, Ober-Sorg, Rainrod, Renzendorf, Storndorf, Vadenrod und Unter-Sorg.

Wenn sie die Namen Ober- und Unter-Sorg lesen, befürchten Sie nicht, daß diese Ortsnamen etwas mit Sorgen zu tun haben. Es handelt sich dabei um eine Abwandlung des im Mittelalter gebräuchlichen Namens für die Schwalm, der Sulmanha lautete. Von diesem Fluß, der oberhalb des Ortsteiles Storndorf entspringt und Schwalmtal bei Hofgarten in Richtung Alsfeld-Altenburg verlässt, hat die Gemeinde ihren Namen.

Gerade in Schwalmtal sind eine ganze Reihe urgeschichtlicher Denkmäler vorhanden und zahlreiche Funde, die bis in die Altsteinzeit hinreichen, weisen auf eine frühe Besiedlung unseres Raumes hin. Zweifellos war es der germanische Volksstamm der Chatten, die sich hier niederließen. In der Nähe des Ortsteils Brauerschwend weisen zahlreiche Funde alt-steinzeitlicher Schlagstätten für Steinwerkzeuge deutlich darauf hin.

Unser Bereich war von einer Reihe sogenannter Altwege durchzogen, die schon im 4. – 5. Jahr-tausend v. Chr. benutzt wurden. es waren Ost-West-Verbindungen, die den Bereich des Siegerlandes mit Thüringen verband.

Es ist bekannt, daß in der Karolingerzeit (Blütezeit 8.Jhd. n. Chr.) in Hopfgarten eine Straßenfeste bestand. Nach der Überlieferung soll auch in der evangelischen Kirche, deren Ursprünge als ältestes Bauwerk der Gemeinde aus dem 8. Jahrhundert stammen, einer der ältesten Taufsteine Deutschlands stehen, welcher, so wird erzählt, bis auf den Heiligen Bonifatius, der als Bischof von Mainz in Amöneburg wirkte, zurückreichen soll. Da die missionarische Tätigkeit des Bischofs Bonifatius in diesem Gebiet sehr rege war, kann die Geschichte durchaus einen realen Hintergrund haben, sie ist allerdings nicht urkundlich belegt.

Die territoriale Zugehörigkeit der einzelnen Ortsteile wechselte im Verlauf des Mittelalters mehrfach zwischen weltlichen und geistlichen Herren.


Zu Beginn des 18. Jahrhunderts gehörten sämtliche Ortsteile zur Landgrafschaft Hessen-Darmstadt. Dem Gericht Schwarz waren Brauerschwend, Rainrod und Renzendorf, dem Amt Romrod Hergersdorf, Hopfgarten, Ober- und Unter-Sorg und Vadenrod zugeordnet. Der Ortsteil Storndorf hatte eine eigene Gerichtsbarkeit, die von den Herren von Seebach ausgeübt wurde. In der Nähe des Storndorfer Friedhofs kann man heute noch die alte Eiche besichtigen, die früher als Thingstätte diente.

Besonders traditionsreiche Feste sind die Kirmesveranstaltungen, die im Spätsommer, bzw. Anfang des Herbstes in fast allen Ortsteilen durchgeführt werden. Es ist ein alter Brauch, dass die Dorfmädchen vor Beginn der Kirmesveranstaltungen von den Kirmesburschen versteigert werden. Nach der Festlichkeit wird die Kirmes mit feierlicher Zeremonie begraben.

Die Historie der Orte im Einzelnen:

Das oberste Dorf an der Schwalm ist Storndorf mit einer Gemarkungsgröße von 819 ha, das 372 m über NN liegt.

Erstmals wurde der Ortsteil im Jahre 1238 erwähnt in Verbindung mit dem Adelsgeschlecht der Herren von Storndorf. Die Junker teilten bereits um 1600 die Hälfte des Dorfes mit dem Landgrafen von Hessen. Dieser überließ im Jahre 1634 die Nutznießung der einen Hälfte von Storndorf seinem Hofrat Hans Ludwig von Seebach. Zwischen den beiden Adels-geschlechtern, den Herren von Storndorf und denen von Seebach gab es bis zum Aussterben der Herren von Storndorf im Jahre 1713 sehr häufig Kompetenzschwierigkeiten. 1824 verkauften die Herren von Seebach ihr Gut an 13 Storndorfer Familien, die den Besitz unter sich aufteilten. Es wird erzählt, daß bei dem Verkauf die noch nicht abgeernteten Feldfrüchte mit veräußert wurden. Zur Zeit der Ernte kamen dann aber Gefolgsleute der Herren von Seebach und wollten die Ernte in ihre Scheunen fahren. Die Eigentümer sträubten sich berechtigterweise dagegen und so kam es vor der Ortschaft zu einer sehr heftigen Massenschlägerei. Ein Chronist schreibt darüber: „Mancher musste Haare lassen!“. Die evangelische Pfarrkirche stammt aus dem Jahre 1753. Storndorf hat sich in den letzten Jahrzehnten zu einem blühenden Gemeinwesen entwickelt. Seit Bestehen der Großgemein-de wurden Wasserversorgung, Kanalisation, Straßenbau, die Erweiterung des Dorfgemeinschafts-hauses und die Verschönerung der Friedhofsanlage vorangetrieben. Die erwerbstätige Bevölkerung ist überwiegend im Handel und Gewerbe, sowie in der Land- und Forstwirtschaft beschäftigt.

Das Wappen der Storndorfer, ein Kesselhaken, deutet auf die alte Zunft der Kessel- und Nagelschmiede hin, eine andere Auslegung sagt, daß es sich um einen Ziehhaken handelt, die die verwandschaftliche Verbindung der Herren von Storndorf mit den Ziegenhainern symbolisiert. Noch bis kurz vor Ausbruch des 2. Weltkrieges war das Besenbinden eine beliebte Einnahmequelle. Die Besen wurden in Fußmärschen bis nach Frankfurt getragen und dort auf dem Markt verkauft.

Dem Laufe der Schwalm folgend, liegt einen Kilometer unterhalb der Ortsteil Vadenrod mit einer Gemarkungsgröße von 888 ha, der 345 m über NN liegt.

Erstmals wurde der Ortsteil unter dem Namen Vaderenrode im 13. Jahrhundert erwähnt. Es ist bekannt, daß die 1720 erbaute evangelische Kirche an Stelle eines älteren Gotteshauses errichtet wurde. Funde aus der Periode der Hügelgräberzeit, 1600 bis 1200 v. Chr., kommen besonders im Storndorfer, wie auch im Vadenröder Gemarkungsbereich vor. Gleichfalls befinden sich im Gemarkungsbereich Vadenrod ehemalige Abbaustätten von Eisenerzlagern. Eine ganze Reihe von Wüstungen, hier und im gesamten Schwalmtal, deuten darauf hin, daß der 30jährige Krieg nicht spurlos vorüberzog und manche Siedlung entvölkert, „öd und leer“ wurde. Das 10-Uhr-Läuten in der evangelischen Kirche mit der kleinen Glocke, die aus dem Jahre 1519 stammt, erinnert an den sogenannten „Westfälischen Frieden zu Münster und Osnabrück“ im Jahre 1648.

Das Wappen der Vadenröder zeigt eine Eiche über einem silbern gestreiften Wellenbad. Hier wird symbolisch auf die Bonifatius – Eiche im Lanzenberg und auf die Schwalm verwiesen. .

Vadenrod war bereits seit 1815 Standort einer Feuerwehr.

Vadenrod und Storndorf sind nicht nur durch die gemeinsame Wasserversorgungsanlage, sondern durch viele gesellschaftliche, persönliche und Vereinsverbindungen miteinander verknüpft. Im Ost-teil des Ortsteils befindet sich seit dem Jahre 1958 das Wochenendgebiet Hachberg.

Die Vadenröder werden im Volksmund „Beemlefer“ (Baumläufer) genannt. Der Ursprung dieses Spottnamens ist nicht bekannt.

Der Schwalm folgend, kommen als nächste Ortsteile Ober- und Unter-Sorg, die 312 bzw. 307 m über NN. Es sind die beiden kleinsten Ortsteile. Die Gemarkungsgrößen: Ober-Sorg 368 ha, Unter-Sorg 123 ha.

Das Dorf Ober-Sorg ist 1030 als Sualmanaha urkundlich erwähnt, 1450 als Swalmen und 1490 als Obernschwalmen.

Unter-Sorg hieß früher Niederschwalm oder Fruleips und gehörte in der 2. Hälfte des 14. Jahr-hunderts zum Gericht Hopfgarten, das die Landgrafen von Hessen aus dem Romrodschen Nachlass erwarben.

in Ober-Sorg kann man das „Totemann Grab“ sehen. Hier wurde ein namenloser Sohn einer umherziehenden Bettlerin, um 1818 beerdigt. Das Kind war an den natürlichen Blattern(Pocken) verstorben.

In Ober-Sorg befindet sich ein Dorfgemeinschaftshaus, das durch den Umbau der alten Volksschule entstand.

An dem von Leibacher Grund kommenden Bach entstand das über dem linken Schwalmufer liegende Hopfgarten, 310 m über NN mit einer Gemarkungsgröße von 960 ha.

Zahlreiche Hügelgräber in den umliegenden Wäldern zeugen von bronzezeitlicher Besiedlung. Schon im Jahre 812 wird das Dorf Hopfgarten unter dem Namen „Warta“ in der Marktbeschreibung der Kirche zu Schlitz urkundlich erwähnt. 1323 ging das Gericht Hopfgarten von den Altenburgern an die Herren von Romrod und kam 1393 durch Kauf an die Landgrafen von Hessen. Unter der Dorflinde wurde Gericht gehalten.

Von dem ursprünglichen auf der Höhe gebauten Kloster blieb nur die Kapelle übrig, die 1734 zur heutigen Kirche ausgebaut wurde und unter Denkmalschutz steht. Der Taufstein zählt wohl zu den ältesten Taufsteinen  Deutschlands.

Auch hier wurde die alte Schule zum Dorfgemeinschaftshaus umgebaut. Ein Feuerwehrgerätehaus ist angegliedert.

Vor Hopfgarten steht die über 900 Jahre alte „Zigeuner-Eiche“ die vielen Malern als Motiv für Feder-zeichnungen und Aquarelle dient.

Brauerschwend an der Bundesstraße 254 gelegen, 327 m über NN, mit einer Gemarkungs-größe von 885 ha.

Nach Überlieferung ist es von Hersfelder Mönchen unter dem Abt Bruneward um 1200 gegründet worden. Die älteste Urkunde von 1320 erwähnt erstmalig den Namen „Bruwetswende“.

Brauerschwend bildet den Mittelpunkt der sogenannten Brauerschwender Hochfläche. Hier gibt es reiche Basaltvorkommen, die seit den 30er Jahren des 20. Jh. gewerblich abgebaut werden.

Die Erwerbspersonen sind überwiegend im Handel, Gewerbe und in der Landwirtschaft tätig.

Die evangelische Pfarrkirche stammt aus dem Jahre 1748. In Brauerschwend befindet sich mit der Volkshalle und dem Bürgerhaus zwei gemeindliche Einrichtungen. Im Jahre 1954 wurde hier die einzige katholische Kirche im Gemeindebereich errichtet.

Nach der Regionalplanung bilden Brauerschwend und Renzendorf, die durch das Verwaltungs-gebäude baulich fast miteinander verbunden sind, das einzige Kleinzentrum der Gemeinde.

Im Volksmund heißen die Brauerschwender „Russefänger“. Z. Zt des ersten Weltkrieges soll eine verdächtige Person als russischer Spion eingefangen worden sein. Der Verdächtige stellte sich später als der Pfarrer von Maar (heute OT Lauterbach) heraus.

Im Zimmer des Bürgermeisters kann man eine gut erhaltene Gemarkungskarte Brauerschwends aus dem Jahre 1707, gezeichnet von Daniel Merian, besichtigen.

Einen Kilometer südlich von Brauerschwend liegt Hergersdorf, 337 m über dem Meeresspiegel, mit einer Gemarkungsgröße von 439 ha.

Die Bahnlinie Gießen-Fulda teilt das Dorf in zwei Teile. Es wurde wie Hopfgarten erstmals 812 als „Werchenbrunnen“ urkundlich erwähnt. In der Gemarkung Hergersdorf steht im „Birkenschlag“ die Heilige Eiche. Anstelle der evangelischen Fachwerkkirche aus dem Jahre 1770 entstand 1960 ein Neubau.

Die ehemalige Schule wurde zum Dorfgemeinschaftshaus umgebaut.

Rainrod liegt 2 km nördlich von Brauerschwend, 368 m über NN. Die Gemarkungsgröße beträgt 824 ha.

Der Ort soll aus 3 Höfen, Güntershof, Finkenhof und Römerhof, entstanden sein. Auf dem Gelände des Güntershofes stand die erste Kirche. Das heutige evangelische Gotteshaus, ein Fachwerkbau, ist in den Jahren 1660 bis 1673 entstanden. Im 19. Jahrhundert war Rainrod als Weberdorf bekannt. Heute sind die Erwerbstätigen im Handel und Gewerbe, sowie in der Landwirtschaft tätig.

Die 2 km östlich gelegene Hardtmühle hat sich nach dem Krieg zu einem beliebten Ausflugslokal entwickelt.

Südwestlich der B 254, nahe dem OT Brauerschwend liegt Renzendorf, 310 m über NN, mit einer Gemarkungsgröße von 115 ha.

Brauerschwend und Renzendorf sind seit Jahrhunderten eng miteinander verbunden. Seit eh und je wird eine gemeinsame Kirche und die gemeinsame Schule in Brauerschwend benutzt. Bis 2011 besaß der Ortsteil Renzendorf als einziger in der Gemeinde eine Bahnstation an der Bahnlinie Gießen-Fulda. Als im Jahre 1870 mit dem Bau der Bahnstrecke begonnen wurde, lehnten es die Brauerschwender ab, Gelände für einen Bahnhof zur Verfügung zu stellen. So kam Renzendorf zu dem besonderen Vorzug, dieses wichtige öffentliche Verkehrsmittel im Ort zu haben.